elamische Kultur

elamische Kultur
elamische Kultur,
 
eine mit den Kulturen Mesopotamiens, ebenso aber mit denen des Iran (besonders dem Zagrosgebirge) eng verknüpfte und von wechselseitigen Befruchtungen geprägte Kultur. Trotz starken Einflusses der Sumerer sowie des späteren Babylonien bewahrten sich Züge der zum Teil über das 4. Jahrtausend v. Chr. zurückreichenden eigenständigen Traditionen.
 
 
Grundlage bildete wie im benachbarten Zweistromland die Landwirtschaft (Bewässerungswirtschaft in Khusistan), Rohstoffe kamen aus dem gebirgigen Teil des Landes (Fars; früher Anschan, Anzan). Von den frühen und schon im 4. und 3. Jahrtausend weit reichenden Handelsbeziehungen zeugen Funde mit protoelamischer Schrift in Iran (Tepe Jahja) und Zentralasien. Im Unterschied zu Mesopotamien war das Land nicht in Staatsbesitz, und der Handel lag in den Händen privater Kaufleute. Ein weiterer großer Unterschied bestand in der Stellung der Frau, die im 2. Jahrtausend v. Chr. erheblich mehr Rechte bewahren konnte als in der gleichzeitigen babylonischen Gesellschaft. Im Erbrecht kam es um 1800 v. Chr. zu gewissen Umformungen. So wurde die dynastische Erbfolge zugunsten der Schwestersöhne abgeändert, während zu Beginn des 2. Jahrtausends der jüngere Bruder Thronerbe war. In späterer Zeit konnten offenbar auch Söhne das dynastische Erbe antreten. Im Staat hatte neben dem König, dem designierten Nachfolger und dem Vizekönig (einem Amt, das der Sohn innehatte) auch die »Große Gemahlin« eine hervorragende Stellung als Gattin und (häufig) Schwester des Königs. Sie wurde bei dessen Tod vom Nachfolger zur Ehe genommen. - Eine Anleihe aus dem babylonischen Recht war z. B. die Übernahme des dort entwickelten Urkundenformulars. Das Strafrecht war äußerst hart (z. B. Verstümmelungen), denn der Verbrecher hatte nach elamischer Auffassung den göttlichen Schutz verwirkt. - Die Alltagskultur hatte einen hohen Standard. Die Freilegung des nördlichen Wohnviertels von Susa wies für das 2. Jahrtausend v. Chr. ein ausgebautes Straßennetz nach. Die Häuser waren einstöckig. Bessere Häuser und Paläste hatten Hof und Empfangssaal. Toilette und Kamin waren bekannt. In Dur-Untasch wurde im 13. Jahrhundert v. Chr. die Trinkwasserversorgung nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren angelegt.
 
 
Im Zusammenhang mit den wechselnden politischen Konstellationen zeigt das Kunstschaffen der Elamier wechselnde Einflüsse aus Mesopotamien, dem Zagrosgebirge, aus dem Reich der Hurriter und von Urartu, andererseits sind auch durchgehend selbstständige Züge zu beobachten, besonders in dem von der religiösen Vorstellungswelt geprägten Motivschatz. Von außergewöhnlichem Rang ist in der protoelamischen Kunst des 4. Jahrtausends v. Chr. die Keramik der Stufe Susa A mit ihrer mehrfarbigen, wohl ausgewogenen Bemalung (stilisierte Tierdarstellungen, besonders Steinböcke). Die Stempelsiegel, die u. a. die sumerische Kunst beeinflussten, beherrscht das Motiv des »Herrn der Tiere«. Gegen Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. wurde für die Tempel eine Ziegelterrasse von 80 m Breite und 10 m Höhe errichtet, wobei rd. 1 m lange Ziegel verwendet wurden. Die Tempel verfielen mit dem Niedergang der archaischen Gesellschaft. Die nachfolgende beginnende Stadtkultur um 3000 v. Chr. stand unter dem Einfluss von Uruk (frühelamische Kunst I), jedoch zeigt die folgende Epoche bereits iranischen Einfluss (frühelamische Kunst II). Auf den Rollsiegeln taucht eine neue Bildwelt auf, v. a. lebendig wiedergegebene Tiere und Tierszenen (die die vordynastische ägyptische Kunst beeinflussten). Mit dem historischen Reich Elam (ab 2800 v. Chr.) beginnt die altelamische Kunst. Sie bedient sich der sumerischen und akkadischen Kunstgattungen; z. B. Beterstatuetten, Weihplatten, Rollsiegel. Der einheimische schwarze (bitumenhaltige) Kalkstein wurde für reliefierte Opferständer sowie Tiergefäße verwendet, die sowohl nach Mesopotamien wie an den Indus exportiert wurden. Die mittelelamerikanische Kunst ist reicher dokumentiert. Untasch-Napirischa stellte in der Mitte des 13. Jahrhunderts v. Chr. die zerstörten Tempel Susas wieder her; bei Ausgrabungen fand man den Torso einer fein bearbeiteten Bronzestatue der Königin Napirasu (um 1250 v. Chr.) und eine reliefierte Kalksteinstele, die den Herrscher allein und mit der Königin und der Priesterin im Tempel zeigt, im unteren Teil Wasser spendende Gottheiten und an der Basis für Elam charakteristische Mufflonmenschen. Untasch-napirischa ließ auch die heilige Stadt Dur-Untasch errichten, wo der mittelelamerikanische Tempelbau große Eigenständigkeit erreichte. Der kassitisch beeinflusste Palast war mit glasierten Knauffliesen ausgestattet. Auch tönerne tierische Wächterfiguren waren glasiert. Goldschmiedearbeiten weisen nach Luristan. - Auch aus der Mitte des 12. Jahrhunderts stammen meisterhafte Bronzearbeiten, u. a. ein Altaraufsatz, ein langes Bronzegitter und eine Votivplatte mit der Darstellung der Zeremonie der Feier des Sonnenaufgangs in einem hebräischen Tempel. Nach der Zerstörung von 1100 v. Chr. brachte das Neuelamische Reich im 7. Jahrhundert v. Chr. eine letzte Blüte (neuelamischer Kunst).
 
 
An der Spitze der Götter stand die »Himmelsgebieterin« Pinnenkir. Ihr Gemahl war Humban (auch Napirischa), der im Verlauf des 2. Jahrtausends als Schutzgott des Königs eine besondere Stellung errang, aber auch Inschuschinak, der Stadtgott von Susa und Herr der Totenwelt. Zu den weiteren Gottheiten gehörten Sonnengott und Mondgott. Züge des vorgeschichtlichen »Herrn der Tiere« zeigen Darstellungen des Gottes Napirasu u. a. auf Felsreliefs des späten 2. Jahrtausends v. Chr. in Anschan. Zu den Bergheiligtümern wurden Wallfahrten veranstaltet, wobei auch dem Schlangenkult eine wichtige Rolle zukam. Der Glaube war mit der Vorstellung eines Totengerichts verbunden. Tote wurden unter den Häusern bestattet.
 
 
Die Sprache der elamischen Keilinschriften wird unterschieden in: das Altelamische (etwa 2300-1700 v. Chr.), das klassische Elamische (etwa 1285-1140), das Neuelamische (750-650) und das Achaimenidisch-Elamische (533-330 v. Chr.). Wohl ein letzter Ausläufer der elamischen Sprache war bis etwa 1000 n. Chr. das nicht durch Texte (jedoch durch Berichte arabischer Geographen) belegte Chusische im Südwesten Irans.
 
Vor der etwa um 2300 v. Chr. aus Mesopotamien übernommenen Keilschrift wurde etwa um 2900 v. Chr. eine lokale, die »protoelamische Schrift« (mit etwa 150 bildähnlichen Wortzeichen und Zahlzeichen) geschaffen und aus dieser die »Strichschrift« (mit etwa 80 vorwiegend [Silben-]Zeichen) entwickelt. Um die Entzifferung bemühte sich besonders W. Hinz.
 
Die elamische Sprache ist höchst eigenartig und noch nicht völlig erschlossen. Sie unterscheidet Personen (nur sie haben einen Plural) und Sachen durch Suffixe; sie kennt keine Flexion, auch keine Präpositionen, sondern nur Postpositionen. Die Verbalkonstruktion ist wesentlich partizipial; die Zeiten werden nur ungenau ausgedrückt, doch lassen sich deutlich Aspekte (vollendete, unvollendete, noch andauernde Handlung) unterscheiden. Suffixe gliedern die Satzteile und drücken deren Beziehung zum Satzganzen aus. Die zum Teil angenommene Verwandtschaft mit den kaukasischen Sprachen ist nicht erwiesen.
 
 
Geschichte, Kunst:
 
W. Hinz: Persia, c. 2400 to 1800 B. C. (Cambridge 1963);
 W. Hinz: Persia, c. 1800-1550 B. C. (ebd. 1964);
 W. Hinz: Das Reich Elam (1964);
 R. Labat: Elam, c. 1600-1200 B. C. (Cambridge 1963);
 R. Labat: Elam and Western Persia, c. 1200-1000 B. C. (ebd. 1964);
 P. Amiet: Elam (Auvers-sur-Oise 1966);
 
Ancient civilization and trade, hg. v. J. A. Sabloff u. a. (Albuquerque, N. Mex., 1975).
 
 
W. Hinz: Zur Entzifferung der elam. Strichschrift, in: Iranica Antiqua, Jg. 2 (1962);
 
R. T. Hallock: Persepolis fortification tablets (Chicago, Ill., 1969);
 
E. Reiner: The Elamite language, in: Hb. der Orientalistik, hg. v. B. Spuler. Abt. 1, Bd. 2,1: Altkleinasiat. Sprachen (Leiden 1969);
 
F. W. König: Die elam. Königsinschriften (Neuausg. 1977);
 
W. Hinz u. H. Koch: Elam. Wb., 2 Bde. (1987).

Universal-Lexikon. 2012.

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